Mythen in der Okklusionstherapie – wir räumen mit Vorurteilen auf

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Wer schnell mal was wissen will, der schaut ins Internet. Bei der Vielzahl an Informationen findet man dort meist in kürzester Zeit Antworten auf seine Fragen. Sicherlich auch, wenn es um die Pflastertherapie des eigenen Kindes geht.

Man stößt dabei aber immer wieder auch auf Äußerungen, die verunsichern und die vor allem nicht richtig sind. Das ist jedoch keineswegs ein Internetphänomen. Solche Aussagen begegnen einem genauso in der Kita, im Sportverein oder im Gespräch mit Freunden. Nicht selten sind andere Personen ungenügend über die Behandlungsziele einer Augenpflastertherapie informiert und haben aufgrund von Unwissenheit viele Vorurteile.

Wir haben für euch die größten Mythen richtiggestellt – in einem Beitrag, der beruhigt, der Mut macht und der euch bei zukünftigen Gesprächen über die Okklusionstherapie unterstützt.

Mythos 1: „Ein Auge abkleben? Das macht man doch heute gar nicht mehr.“

Aufgeklärt

Hier handelt es sich um eine gravierende Fehlinformation. Bis heute ist die Okklusionstherapie die anerkannteste und wirkungsvollste Behandlung einer Amblyopie bei Kindern. Mit dieser kritischen Äußerung wird sich deutlich gegen die Art der Behandlung ausgesprochen. Das rührt wahrscheinlich daher, dass die auffälligen Augenpflaster als starker Eingriff in den Alltag des Kindes empfunden werden.

Kritikern kann man Folgendes entgegenhalten: Das Kind hat eine Sehschwäche, die nicht allein mit einer Brille korrigiert bzw. verbessert werden kann. Der Fachausdruck hierfür lautet „Amblyopie“. Anders als bei einer Weit- oder Kurzsichtigkeit liegt die Ursache dieser funktionellen Sehschwäche darin, dass sich die Nervenverknüpfungen im Gehirn nicht richtig entwickelt haben, weil ein Auge nicht im gleichen Umfang wie das andere gebraucht wurde. Wird diese Beeinträchtigung in der frühen Kindheit – also in der Zeit, in der das Sehen funktionell heranreift – nicht behandelt, dann lässt sich diese Sehschwäche im Erwachsenenalter durch keine noch so gute Brille korrigieren. Im schlimmsten Fall führt die Nichtbehandlung zur hochgradigen Sehbehinderung. Die Sehschwäche wächst sich also keinesfalls aus und ist definitiv behandlungsbedürftig.

Mythos 2: „Da gibt es mittlerweile bestimmt alternative Methoden.“

Aufgeklärt

Der Wunsch nach Alternativen zur Schulmedizin ist bei vielen Menschen groß. Die Abklebebehandlung ist aber bereits eine besonders sanfte Methode, die ohne Medikamente auskommt. Die liebevollen, bunten Motive machen die Therapie sehr kindgerecht, jedes Kind darf z. B. sein Lieblingsmotiv auswählen. Zusätzliche Motivationsartikel, die einige Augenpflasterhersteller anbieten, unterstützen die spielerische Integration in den kindlichen Alltag.

Natürlich gibt es prinzipiell Alternativen zur Augenpflastertherapie. Aber nicht alle davon sind kindgerecht oder gleichermaßen effektiv. Beispielsweise kann man das besser sehende Auge durch medikamentöse Augentropfen bewusst "vernebeln" oder durch verdunkelnde Kontaktlinsen okkludieren. Gelegentlich kann man das Brillenglas des besseren Auges mit sogenannten Okklusionsfolien abkleben. Die Wirkung ist aber gegenüber einem vollständig abdeckenden Augenpflaster geringer. In Ausnahmefällen gibt es tatsächlich medizinische Gründe, die gegen das Tragen von Augenpflastern sprechen, wie z. B. bestimmte Allergien oder die Gefahr von Doppelbildern nach der Okklusionstherapie.

Manchmal spricht ein Augenoptiker oder Optometrist von der sogenannten "Winkelfehlsichtigkeit".

Der Begriff „Winkelfehlsichtigkeit“ ist medizinisch nicht anerkannt. Er bezeichnet eine Störung des beidäugigen Sehens, deren Diagnose das Ergebnis der Mess- und Korrektionsmethodik nach Hans-Joachim Haase (MKH) ist. Laut dem Berufsverband Orthoptik Deutschland e. V. (BOD) beruht das Problem bei dieser Untersuchung auf den rein subjektiven Angaben des Kindes unter künstlichen Sehbedingungen, d. h. unter Trennung der Bilder des rechten und linken Auges. Unter Umständen kommt es hier also zu falschen Diagnosewerten.

Mythos 3: „Das schadet den Augen doch mehr, als dass es hilft.“

Aufgeklärt

Diese Angst ist unberechtigt. Die Okklusionstherapie führt nicht dazu, dass die Augen des kleinen Patienten sich verschlechtern, sofern Augenärzte oder Orthoptisten sie korrekt verordnen und durchführen. Um eine Okklusionsamblyopie – also eine Sehkraftverschlechterung des besseren Auges – zu verhindern, passt man die Okklusionszeit ganz individuell an das Alter des Kindes und an den Grad der Sehschwäche an. Zusätzlich wird bei den engmaschigen Kontrollen immer geprüft, ob das bessere Auge weiterhin so gut sieht wie zuvor. Die verordnete Abklebezeit ist von ganz verschiedenen Faktoren abhängig und kann sich im Therapieverlauf ändern.

Mythos 4: „Davon fängt das Kind doch erst zu schielen an."

Aufgeklärt

Hier liegt offensichtlich ein Missverständnis über die Behandlungsziele der Okklusionstherapie vor. Das Abkleben des schwachen Auges korrigiert nicht das Schielen selbst, sondern die Augenpflaster sollen die Folgen eines Schielens (Strabismus) therapieren. Eine Augenpflastertherapie kann unter Umständen sowohl zu einer Schielwinkelverkleinerung als auch zu einer Schielwinkelvergrößerung führen. Gemäß medizinischen Leitlinien geht aber die Behandlung der Funktionalität eines Auges vor.

Kritikern kann man entgegnen, dass die Angst vor einer kosmetischen Auffälligkeit nicht ausschlaggebend bei der Entscheidung für oder gegen eine Okklusionstherapie sein sollte. Der Erhalt der Sehkraft hat immer oberste Priorität. Ein einfaches Schielen ist im späteren Leben z. B. durch eine OP korrigierbar – die funktionelle Sehschwäche dagegen nicht.

Drei Tipps bei Unsicherheit

  • Vertraut auf die Kompetenz der Augenärzte und Orthoptisten.
  • Stellt Fragen, wenn ihr welche habt.
  • Googelt keine Krankheitsbilder und medizinischen Ratschläge. So schützt ihr euch vor Fehlinformationen und Verunsicherung.
  • Zieht offizielle Quellen zu Rate, z. B. diese:

► BOD  – Berufsverband Orthoptik Deutschland e. V.
► BVA – Berufsverband der Augenärzte Deutschlands e. V.
► ORTOPAD®

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