Orthoptik & Sehschulen

Die Orthoptik ist ein Spezialbereich der Augenheilkunde, welche sich mit der Prävention (Vorbeugung), Diagnostik (Erkennung) sowie der Therapie (Behandlung) von Störungen des beidäugigen Sehens, wie z. B. funktionelle Sehschwächen, Schielerkrankungen, Augenzittern, Augenbewegungsstörungen beschäftigt. Orthoptisten/-innen arbeiten meist in einer Augenarztpraxis, in Augenkliniken oder Reha-Kliniken mit Schwerpunkt Augenheilkunde.

  • Von der Sehschule zum Augenheilzentrum
    Der etwas veraltete Begriff „Sehschule“ bezeichnet die Einrichtungen an Augenkliniken, Krankenhäusern sowie in Augenarztpraxen, in denen Orthoptistinnen und Orthoptisten in Zusammenarbeit mit Augenärzten Störungen des beidäugigen Sehens diagnostizieren und behandeln. Heute werden diese Zentren meist nur noch umgangssprachlich als „Sehschule“ betitelt, der korrekte Begriff ist „Orthoptik“. An einigen Universitätskliniken gibt es Augenabteilungen, die sich auf die Forschung und Therapie von Strabologie und Neuroophtalmologie spezialisiert haben. Auch hier arbeiten Orthoptisten/-innen.
  • Das Aufgabengebiet der Orthoptik
    Dieses Fachgebiet befasst sich vorrangig mit dem beidäugigen Sehen, der Koordination beider Augen (Motorik und Sensorik) und deren Erkrankungen. Dabei liegt der Fokus vor allem auf der Verhütung von kindlichen Seh- und Schielstörungen, sowie der Therapie zur Verbesserung und Heilung, um Folgeschäden zu verhindern.
    Gerade bei Säuglingen sowie Klein- und Vorschulkindern lassen sich manche Störungen relativ einfach beheben. Aber auch im Jugendlichen- und Erwachsenenalter können visuelle Rehabilitationen noch erfolgen. Zu den klassischen Therapien gehören beispielsweise die Pflastertherapie, auch Okklusionstherapie genannt, für die die Augenpflaster der Marke ORTOPAD® der Firma Trusetal Verbandstoffwerk GmbH speziell entwickelt wurden. Daneben besteht die Therapie aus der Verordnung von Sehhilfen (Brillen) oder in besonderen Fällen auch operativen Eingriffen zur Korrektur der relevanten Fehlstellung der Augen. Gelegentlich kommen auch apparative Behandlungsmethoden (Pleoptik) in Frage. Die Orthoptik hat neben der diagnostischen und therapeutischen auch noch eine rehabilitierende Aufgabe (Low-Vision und Reha nach Hirnschädigungen). Hier liegt das Hauptaugenmerk auf der Optimierung der verbliebenen Sehleistung. Dem Betroffenen wird vermittelt, wie er seine visuelle Wahrnehmung so trainieren kann, dass ihm eine Wiedereingliederung in sein soziales und berufliches Umfeld gelingen kann.  

Rehabilitierende Maßnahmen sind:

  • Ein rehabilitierendes Sehtraining zum Erlernen geeigneter Strategien, die hilfreich für das Sehen sind und die Lesefähigkeit erhalten, bzw. zurückgewinnen (besonders hilfreich z. B. nach Schlaganfällen oder Gesichtsfeldausfällen)
  • Verbessern der Fähigkeit zur Orientierung
  • Anpassung von Hilfsmitteln (Lupen, Mobilitätstraining)
  • Lesetraining, Schreibtraining mit Unterstützung digitaler Hilfsmittel
  • Weiterführende Beratung über Möglichkeiten zur Therapie und Behandlung
  • Psychologische Hilfe zur Motivierung und zur Akzeptanz der Gegebenheiten

Ablauf einer Untersuchung in der Sehschule

Die Sehschule (Orthoptik in der Fachsprache) ist eine Abteilung für Schielerkrankungen von Universitäts-Krankenhäusern und Kliniken. Auch in einer Arztpraxis für Augenheilkunde kann eine Abteilung für Orthoptik unter der Bezeichnung „Sehschule“ angeschlossen sein. In der Spezialabteilung arbeiten neben dem Augenarzt auch Orthoptistinnen. Funktionale Sehstörungen wie Augenzittern (Nystagmus), Augenkoordinationsstörungen, Schielen, Sehschwächen (Amblyopie) gehören neben Doppelbildern, Augenmuskellähmungen, Kopffehlhaltungen zu den Beschwerden, die dort behandelt werden. Vor der eigentlichen Behandlung erfolgt eine ausführliche Diagnostik in Form von verschiedensten Untersuchungen. Je nach individueller Problematik wird die Funktion der Augen geprüft, wie unter anderem das räumliche Sehen, Kontrastsehen, Farbensehen, die Reaktionsfähigkeit der Pupille, Augenbewegungen, Brechkraft und beidäugige Zusammenarbeit. Dabei werden Strukturen des Auges, wie die Hornhaut, die Linse, der Glaskörper und Nerven genauer betrachtet.

Um eine genaue Diagnose zu stellen, werden in Zusammenarbeit von Orthoptistin und Augenarzt einige Untersuchungsschritte vorgenommen. Um das Schielen erfolgreich behandeln zu können, ist eine frühzeitige Diagnose wichtig. Durch die modernen Diagnosetechniken ist bei einer regelmäßigen Teilnahme an den kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchungen die Chance groß, dass eine mögliche Sehstörung in Form von Nystagmus (Augenzittern), Schielen oder anderen Erkrankungen frühzeitig entdeckt wird. Eine frühe Behandlung des Schielens in der Orthoptik kann zur Vermeidung einer dauerhaften Amblyopie beitragen. Nicht nur Kinder, auch Erwachsene werden in der Orthoptik behandelt.

Um festzustellen, was das einzelne Auge genau sehen kann, wird in der Sehschule (Orthoptik) eine Sehschärfenprüfung durchgeführt – dabei wird ein Auge abgeklebt. Das Kind soll nun auf einen an die Wand projizierten Buchstaben „E“ oder ein Symbol blicken und entweder mit einem in der Hand gehaltenen „E“ aus Pappe darstellen, wohin die Beine des Buchstaben zeigen oder auf einer Antworttafel das entsprechende Symbol (Kreis, Viereck, Haus, Apfel) berühren oder benennen. Im zweiten Schritt wird die Nahschärfe des Sehens geprüft – auch hier wird dazu ein Auge abgeklebt. Diesmal werden dem kleinen Patienten Bilder in der Nähe gezeigt. Die Prüfung der Sehschärfe ist ein wichtiger Indikator für den Erfolg einer Augenpflastertherapie in der Sehschule. Im Normalfall ist auf beiden Augen die Sehschärfe gleich gut – weicht ein Auge von der Sehschärfennorm ab, wird nach dem Grund der Sehschärfenabweichung gesucht und dieser gegebenenfalls mit Brille und oder Pflastertherapie behandelt.

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Überprüfung der Augenbewegung in der Sehschule (Orthoptik)

Mit einem kindgerechten Objekt wird getestet, ob die Augen in alle Richtungen beweglich sind. Dafür wird ein Fixationsobjekt vor dem Auge des Kindes in verschiedene Richtungen bewegt. Der kleine Patient wird dazu aufgefordert, mit den Augen das Objekt zu verfolgen. Ein weiterer Schritt, um das Schielen in der Sehschule zu diagnostizieren, ist die Prüfung einer möglichen Fehlstellung der Augen (Schielen). Dazu schaut das Kind auf ein Objekt, während die Orthoptistin im Wechsel beide Augen des Kindes abdeckt. Die Orthoptistin achtet darauf, ob sich eines oder beide Augen bewegen, um das Objekt anschauen zu können. Bei einem Innenschielen zum Beispiel würde sich das Auge von der Innenstellung aus in die Mitte bewegen, wenn das andere Auge abgedeckt ist. Beim Prismenabdecktest wird der Schielwinkel ausgemessen. Dazu werden verschiedene Prismenstärken vor das Auge gehalten. Dies wird solange wiederholt, bis keine Augenbewegung mehr folgt. Daraufhin notiert sich die Orthoptistin die Abweichung des schielenden Auges.

Fixationsprüfung und Stereotest

Anschließend folgt bei den Untersuchungen in der Sehschule durch die Orthoptistin eine Fixationsprüfung. Ziel dieser Methode ist es, zu ermitteln, mit welcher Stelle der Netzhaut fixiert wird. Dazu wird mit einem Augenspiegel (Ophthalmoskop) ein Stern auf die Netzhaut projiziert, der angeschaut werden soll. Normalerweise wird der Stern mit der Netzhautmitte fixiert. Beim Schielen kann der Fixationspunkt von der Mitte abweichen. Für die Orthoptistin ist die Fixationsprüfung ein wichtiger Faktor für die Schiel- und Amblyopietherapie - daher wird diese Prüfung während eines Behandlungsplans wiederholt in der Sehschule durchgeführt. Bei der Skiaskopie wird überprüft, ob eine Brille notwendig ist, um einen möglichen Sehfehler zu behandeln. Mit speziellen Augentropfen werden zunächst die Pupillen erweitert. Mit dem Skiaskop werden dann Lichtreflexe auf die Netzhaut projiziert. Es werden solange Gläser vor das Auge gehalten, bis keine Lichtbewegung mehr zu erkennen ist. Die Untersuchung wird in vertikaler, horizontaler und diagonaler Richtung durchgeführt – daraus lässt sich dann die Stärke des Sehfehlers berechnen. Die Stärke des Sehfehlers ist die zentrale Information zur Erstellung der Brille für das Kind.

Im letzten Schritt wird der Stereotest für die Beurteilung des beidäugigen räumlichen Sehens durchgeführt. Die Orthoptistin hält dazu beispielsweise eine Polarisationsbrille vor die Augen des Kindes. Dann wird das Kind aufgefordert, die dargestellten Testfiguren zu berühren. Ist die Zusammenarbeit der Augen gestört, hat dies in der Regel Auswirkungen auf das räumliche Sehen. Die Einschätzung, wo sich etwas im Raum befindet, ist dann nicht mehr korrekt möglich. Gegebenenfalls werden weiterführende Untersuchungen durchgeführt bzw. für einen späteren Zeitraum geplant.

Elterngespräch und Pflastertherapie

Abgerundet wird die Untersuchung in der Orthoptik durch ein Gespräch mit den Eltern. Die Orthoptistin erfragt, ob Eltern beobachten konnten, dass ihr Kind häufig ungeschickt ist oder fällt oder ob sie häufiges Zukneifen der Augen beobachten können. Außerdem wird in der Orthoptik abgefragt, ob die Eltern erkennen können, auf welchem Auge und seit wann das Schielen aufgetreten ist. Bevor mit der Augenpflastertherapie begonnen werden kann, wird eine Eingewöhnungsphase mit der Brille gewährt. Im Anschluss daran untersucht der Augenarzt erneut, ob die Brille richtig eingestellt ist, denn die Optimierung der Sehhilfe gehört zur orthoptischen Therapie dazu. Auch die Orthoptistinnen führen einige ihrer Untersuchungen bei den nachfolgenden Kontrollterminen noch einmal durch.

Daraufhin beginnt die Augenpflastertherapie mit der Auswahl der Augenpflaster. Dabei ist neben der Größe auch wichtig, dass dem kleinen Patienten die Motive gefallen – die Kinder können auswählen, welches ihnen am besten gefällt. Den Eltern wird ein individueller Therapieplan mitgegeben, der auf die Sehschwäche des Kindes angepasst ist. Für die erfolgreiche Behandlung von Schielerkrankungen der Augen ist die genaue Einhaltung der Therapie von besonderer Relevanz. Bei regelmäßigen Kontrollterminen wird untersucht, ob eine Besserung eingetreten ist und wie der kleine Patient zurechtkommt. Dabei wird abgefragt, ob bereits eine sichtbare Verbesserung auf dem erkrankten Auge eingetreten ist. Außerdem berichten die Eltern, ob das Pflaster vertragen wurde und ob es im Alltag Probleme gab. Ziel der orthoptischen Behandlung ist es, die Zusammenarbeit beider Augen zu verbessern und die Sehschwäche sowie durch das Schielen hervorgerufene Doppelbilder zu beheben. Die Kontrolltermine geben dem Augenarzt und der Orthoptistin Aufschluss darüber, ob die Schielbehandlung erfolgreich verläuft.

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